Und wie reich sind Sie? Das unterschätzte Vermögen der österreichischen Privathaushalte, Das schrumpfende Kärnten und Fairness bei der Fußball WM 2014 – drei von 26 hochspannenden Projekten, die im Zuge meiner Lehrveranstaltung Datenjournalismus an der FH Wien im Wintersemester 2013/15 entstanden sind.
An diesen drei Projekten von Studierenden lassen sich exemplarisch einige der wesentlichen Grundzüge des Datenjournalismus veranschaulichen, was ich im Folgenden als kleine Nachlese zum abgeschlossenen Semester unternehmen möchte:
(1) Erklären – Science (from Latin scientia, meaning “knowledge”)
Julia Schwaiger und Franziska Lehner bringen in ihrem Blogpost Und wie reich sind Sie? Das unterschätzte Vermögen der österreichischen Privathaushalte frische Erkenntnisse aus der Wissenschaft in eine hochemotional geführte Debatte ein.
Die Leser erfahren, wieviel Vermögen die wohlhabendsten 10% der Bevölkerung auf sich vereinen, wo Österreich im europäischen Vergleich steht und wieso eine alternative Berechnungsmethode ein noch drastischeres aber plausibleres Bild zeichnet.
Für die Gegenüberstellung der beiden wissenschaftlichen Studien erklären die Autorinnen anschaulich das Pareto-Prinzip und fassen die Unterschiede in einer handgezeichneten Chart zusammen. Gegenüber der originalen Household Finance and Consumption Survey (HFCS)-Studie zeigt die Studie der Johannes-Kepler Uni Linz eine noch stärkere Vermögenskonzentration v.a. im obersten 1% der Bevölkerung:
Zu Recht halten Julia Schwaiger und Franziska Lehner nach einer Befragung verschiedener politischer Positionen als Konklusio fest:
Wie auch immer man zu Steuerfragen steht: ein erster wichtiger Schritt, um überhaupt eine fundierte politische Debatte darüber führen zu können, wäre, das Thema Reichtum aus seinem Versteck hervor zu holen und seine Bedeutung für die Gesamtgesellschaft offen zu legen.
Highlights dieses Blogposts: Wissenschaftliche Erkenntnisse verständlich aufbereiten, kritisch hinterfragen und allgemeinverständlich erklären.
(2) Verorten – Maps: Here be dragons – not any more.
Die Zeiten, als in unbekannte Territorien auf Landkarten Drachen eingezeichnet wurden, sind lange vorbei. Mehr und mehr Daten sind für jeden Flecken Erde verfügbar. So ergibt sich ein immer vollständigeres Bild, das regionale und lokale Unterschiede erkennbar macht.
In Das schrumpfende Kärnten zeigt Dominik Leitner das exemplarisch anhand der Bevölkerungsentwicklung im Land des Lindwurms auf.
Ausgehend von einer weit in die Zukunft projizierten Prognose der Statistik Austria (Kärnten schrumpft demnach bis 2075 als einziges Bundesland, um knapp 10% der Einwohner) identifiziert der Autor den Sonderfall Kärnten, und geht der Frage nach “Where have all the Kärntners gone?”.
Wanderungsbilanzen, demographische Entwicklung, Landflucht und ökonomische Parameter helfen bei einer schwierigen Spurensuche, die es redlich vermeidet, vorschnelle Kurzschlüsse zu ziehen.
Highlights: regionale Karten mit Mehrwert, unterschiedliche Facetten eines Phänomens werden beleuchtet.
(3) Überprüfen – Factchecking FIFA: Foul!
In Fairness bei der Fußball WM 2014 zeigt Michael Brandstetter plastisch und nachvollziehbar auf, wie lohnend es sein kann, einer gefühlten Schieflage bei einer statistischen Wertung empirisch nachzugehen. Auch “harte” Daten wie die Anzahl gelber oder roter Karten benötigen für einen Vergleich wie eine Fairness-Wertung der FIFA eine Relation, z.B. der absolvierten Minuten pro Mannschaft.
Und in Zeiten umfassend vorliegender Daten lohnt eine Ausdehnung der Datenbasis über den ersten Augenschein hinaus. Eine Ergänzung um die Anzahl der begangenen Fouls ergibt ein authentischeres Bild und liefert eine wesentlich stärkere Aussagekraft:
Eine weltumspannend tätige Organisation wie die FIFA wird ihren Umgang mit Daten über kurz oder lang weiter entwickeln müssen. Michael Brandstetter zeigt, in welche Richtung es gehen kann.
Highlights: Factchecking eines Weltkonzerns, Relationen und sinnvolle Erweiterung der Datenbasis.
Fazit
Auch wenn diese kleine Rückschau anhand von drei Beiträgen nicht als repräsentativ gewertet kann, sie zeigt, das Potential, das im Datenjournalismus steckt. Ein sorgfältiger, gewissenshafter und handwerklich solider Zugang, der Daten als Quellen ernst nimmt, sie kritisch befragt und Erkenntnisse freilegt, die anders nicht zu bekommen sind.