Wie jedes Jahr, erstrahlt Wien auch in diesem Winter im Glanz der Weihnachtslichter. Vor allem die Innere Stadt beeindruckt mit Massen an Weihnachtsbeleuchtung, die die Straßen schmücken und das trotz Energiekrise. Ausbleibende Gaslieferungen, explodierende Strompreise und immer häufiger werdende Stromausfälle – das sind die Schlagzeilen, die alle Haushalte zum Energiesparen aufrufen. Eine denkbar schlechte Ausgangslage für die energiefressende Weihnachtszeit.
Dennoch sind sich die Wiener Kaufleute einig. Die stimmungsvollen Lichter sollen auch diesmal die Einkaufsstraßen zieren, um in diesem schwierigen Winter Zuversicht und Sicherheit zu vermitteln. Aber nicht nur die Beleuchtung braucht zusätzliche Energie. Neben dem weihnachtlichen Lichtermeer soll es nach den Entbehrungen der Pandemiejahre auch wieder ´Christkindlmärkte und Eislaufplätze geben. Es stellt sich also die Frage: Ist das noch vertretbar? Ist die Adventszeit tatsächlich der Energiefresser schlechthin und wie wirkt sich das auf die Energielage in Wien aus?
Um diese Fragen zu beantworten, gilt es zuerst allerding einen genaueren Blick auf Österreichs Energielage und die Versorgungssicherheit werfen.
Energieverbrauch pro Haushalt
Sucht man das Wort „Energiekrise“ online wird man augenblicklich mit dutzenden Fachbegriffen und abstrakte Maßeinheiten konfrontiert. Eine Tatsache die das Thema für viele Endverbraucher:innen mehr als undurchsichtig macht. Dabei ist es wichtig, zu wissen, dass der Verbrauch von Strom und Gas üblicherweise in Kilowattstunden gemessen wird. Im Großraum Wien kostet eine solche Kilowattstunde durchschnittlich 25 Cent. So viel kostet es zum Beispiel das Mittagessen für vier Personen auf einem Elektroherd zu kochen, oder 15 Hemden zu bügeln.
Quelle: Verivox GmbH, Eigene Darstellung
Laut Bundesministerium für Finanzen (2023) kommt ein Zwei-Personen-Haushalt dabei auf einen durchschnittlichen Stromverbrauch von rund 3.000 Kilowattstunden pro Jahr. Für eine durchschnittliche Wiener Hauptwohnsitzwohnung von 75 m² kommen noch einmal rund 10.500 Kilowattstunden für den jährlichen Gasverbrauch hinzu. Das ergibt überschlagsmäßig einen täglichen Durchschnittsverbrauch von 37 Kilowattstunden pro Tag und Haushalt. Der Großteil dieses Energiebedarfs entsteht vor allem durch das Heizen, während die Produktion von Warmwasser und Küchengeräte nur einen Bruchteil dieser Energie benötigen.
Die österreichische Bevölkerung spart
Die Angst vor dem diesjährigen Winter und einer damit einhergehenden Versorgungsknappheit war jedenfalls groß. Betrachtet man allerdings rückblickend die Ausgangslage im vergangenen Herbst, geben die Zahlen nur wenig Grund dazu.
Bereits im November 2022 ist der monatliche Gasverbrauch im Vergleich zum Vorjahresmonat um 20,1 Prozent gesunken. Gleiches gilt für den Stromverbrauch, der sich um 6,7 Prozent reduziert hat. Der Trend zeigt also klar: die österreichische Bevölkerung spart. Allerdings weist das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung darauf hin, dass ein großter Teil dieser Einsparung der milden Temperaturen geschuldet ist. Unter Berücksichtigung des Wetters lag die Einsparungsleistung zwischen Oktober und November nur bei sieben Prozent. Ob nun Glück mit dem Wetter oder fleißige Sparanstrengungen, auch der Blick auf die Gasspeicherstände zu Beginn des Winters geben vorerst Entwarnung – zumindest in Hinblick auf die Versorgungssicherheit für die Wintersaison 2022/23. Laut Daten der AGSI (eine Datenplattform, die Gasfüllstände der EU ausweist und vergleicht) waren die österreichischen Gasspeicher zum Stichtag 1. November 2022 zu rund 93 Prozent gefüllt (86.5469 TWh). Ein Höchststand, wenn man diese Zahl mit den Füllständen von den vergangenen Jahren zu Beginn des Winters vergleicht.
Eine Ausgangslage die im ersten Moment wenig alarmierend scheint. Dennoch bleibt zu berücksichtigen, dass Österreichs Versorgungsstrategie, die zu ungefähr 80 Prozent auf Gaslieferungen aus Russland gebaut hat, durch die andauernden Konflikte Russlands mit der Ukraine, nachhaltig erschüttert. Zwar hat sich die OMV bereits Transportkapazitäten für Gas aus Norwegen gesichert. Dennoch ist die Gaskrise für Europa noch nicht überstanden. Dementsprechend bleiben viele Fragen rund um die langfristige Versorgungssicherheit offen, weshalb die Diskussion um den zusätzlichen Energieverbrauch und die damit verbundenen Energiekosten rund um die Weihnachtszeit immer wieder neu angeheizt wird. Aber ist diese ganze Aufregung gerechtfertigt oder handelt es sich dabei nur um heiße Luft?
Die Zeit der vielen Lichter
Stimmungsvolle Lichter, soweit das Auge reicht. Damit assoziieren wohl die meisten die Zeit rund um Weihnachten. Dementsprechend waren sich die Wiener Vertreter:innen trotz Energiekrise schnell einig: Verzichten möchte man auf nichts – reduzieren wäre ein Kompromiss. Unter dieser Prämisse wurden die Wiener Einkaufsstraßen in diesem Winter erstmals am 18. November 2022 erhellt. Eine Woche später als üblich. Von da an konnten Passanten und Passantinnen die typische Wiener Weihnachtsbeleuchtung täglich ab 15 Uhr bewundern. Bis um 22 Uhr die Lichter ausgeknipst wurden. Ebenfalls 2 Stunden früher als noch im Vorjahr.
Mit diesen Maßnahmen wurde die Leuchtzeit bereits von den bisherigen 660 Stunden auf 364 Stunden reduziert. Zusätzlich konnte die Stadt Wien mit der vollständigen Umstellung auf LED-Lampen rund 45 Prozent an Energie einsparen. Dennoch wurde der benötigte Strombedarf für die Weihnachtsbeleuchtung, vor Beginn der Adventszeit, auf 49.000 Kilowattstunden geschätzt. Das entspricht dem Jahresstromverbrauch von insgesamt 14 Haushalten.
Nicht nur die Stadt Wien, sondern auch private Haushalte wollen den weihnachtlichen Energieverbrauch einbremsen. Das zeigt zumindest eine Umfrage der Tageszeitung Kurier im Dezember 2022. Demnach wollten rund 76 Prozent der Befragten durch eine Reduktion der Weihnachtsbeleuchtung Strom sparen. Dafür empfehlen Energieverbände, neben der Verwendung von Zeitschaltuhren, vor allem eines: die Umstellung auf LED-Lampen. Diese benötigen im Schnitt nämlich 80 Prozent weniger Energie und können somit deutlich zum Sparen beitragen. Immerhin verbraucht eine herkömmliche Lichterkette täglich mehr Strom als ein moderner Kühlschrank.
20 Prozent weniger Gesamtenergiebedarf an den Feiertagen in Wien
In Wiener Haushalten wird während den Weihnachtsfeiertagen gekocht, gebacken und gebraten, was das Zeug hält. Dementsprechend liegt der durchschnittliche Mehrverbrauch an Strom an den Feiertagen bei rund 10 Kilowattstunden pro Tag. Es wird also rund doppelt so viel Strom als normal gebraucht. Trotzdem geht der Gesamtenergiebedarf, laut Daten der Wiener Netze, im Vergleich zu normalen Werktagen, während dieser Tage im Großraum Wien um rund 20 Prozent zurück. Ein Phänomen, dass vor allem dadurch zum Vorschein kommt, dass viele Wiener:innen zu ihren Familien in andere Bundesländer fahren und Büros, Industrie und Geschäfte geschlossen haben. Es ist also nicht als ein tatsächlicher Rückgang, sondern eher als eine Art räumliche Umverteilung des Energiebedarfs zu sehen.
Christkindlmärkte und Wiener Eistraum in der Kritik
In der Bundeshauptstadt machen die Wiener Christkindlmärkte die weihnachtliche Atmosphäre komplett. 2022 gab es nach zwei mauen Pandemiejahren insgesamt 17 Märkte mit über 900 Ständen. Ein neuer Rekord in Wien. Diese vielen Lichter bleiben selbstverständlich nicht unbemerkt und summieren sich pro Weihnachtsmarkt auf einen durchschnittlichen Verbrauch von rund 70.000 Kilowattstunden, was ungefähr einem Jahresstromverbrauch von insgesamt 20 Haushalten entspricht.
Hinzukommen noch Heizstrahler, die im Vergleich dazu die größeren Energiefresser darstellen. Innerhalb einer Stunde verbrauchen diese nämlich ungefähr so viel Energie wie eine Waschmaschine in 3 bis 4 Durchgängen. Aufgrund dessen, haben die meisten großen Weihnachtsmärkte dieses Jahr auf deren Einsatz verzichtet.
Während nach Weihnachten all die Punschhütten wieder verschwinden und die Beleuchtung abgehängt wird, ist die Energiediskussion in Wien noch nicht zu Ende. Denn am 19. Jänner eröffnet standesgemäß der Wiener Eistraum. Die größte Open-Air-Kunsteisbahn der Welt. Ein Titel, den sich die Stadt offenbar nicht nehmen lassen wollte. Denn während andere Städte wie Dornbirn oder Stuttgart und Karlsruhe in Deutschland ihre Eislaufplätze kurzerhand in Rollschuhbahnen umwandeln, bleibt Wien bei ihrem Konzept, allerdings auch hier mit Einsparungen. Mit einer 1000 m² kleineren Eisfläche und einer optimierten Kühltechnik, soll laut Prognosen der Stadt Wien rund 20 Prozent an Energie eingespart werden. Eine Reduktion, die am Ende einen geschätzten Verbrauch von rund 800.000 Kilowattstunden hervorbringt. Das kommt dem Jahresenergieverbrauch von rund 190 Haushalten gleich.
Quelle: Stadt Wien, Eigene Darstellung
Fazit
Es ist also nicht von der Hand zu weisen, dass die Weihnachtszeit durchaus einen höheren und zusätzlichen Energiebedarf fordert. Die größten Posten, also die öffentliche Beleuchtung, die Weihnachtsmärkte, sowie der Wiener Eistraum verursachen einen zusätzlichen Jahresstromverbrauch von 354 Haushalten und einen zusätzlichen Jahresgesamtenergiebedarf von insgesamt 190 Haushalten. Das klingt erstmal viel und das ist es auch. Setzt man diese Zahl allerdings in Relation zu den knapp 930.000 Haushalten in Wien, scheint dieser Mehrbedarf nicht allzu sehr ins Gewicht zu fallen.
Zumal weniger als ein Drittel des Energieverbrauchs auf private Haushalte entfällt. Was in Wien speziell hinzukommt, ist, dass Strom und Wärme im Winter häufig komplementär produziert werden. So wird die Abwärme aus den Kraftwerken zur Stromerzeugung für die Fernwärme genutzt. Damit tatsächlich weniger Energie verbraucht würde, müsste also sowohl beim Heizen wie auch beim Stromverbrauch gleichzeitig eingespart werden.
Selbstverständlich ist Energiesparen wichtig, sowie sich Gedanken, um die Umwelt zu machen ist wünschenswert und nötig. Dennoch sollte das eigentlich das gesamte Jahr über relevant sein und nicht nur während der Weihnachtszeit. Das bestätigt Sabine Seid von der Umweltberatung Wien. In einem Interview mit dem ORF sagte sie: „Weihnachten ist nur ein Tag im Jahr, ganz wichtig ist es aber, auch in den restlichen 364 Tagen möglichst umweltfreundlich und energiesparend zu leben.“