Wie gerecht ist unser Arbeitsmarkt?

von Michael Chudik & Selma Dikici / Lesedauer: 5 Minuten

Österreich ist eines der reichsten Länder der Welt. Dieses Jahr belegten wir im Allianz Global Wealth Report, ein Bericht der das Vermögen der Länder misst, sogar den 16.Platz und liegen somit zwei Plätze vor Deutschland. Einer der Gründe, weshalb Österreich so ein wohlhabendes Land ist, ist unser Arbeitsmarkt. Neben vielen Beratungsstellen und Weiterbildungsmöglichkeiten, bietet er vor allem ein großes Angebot an offenen Stellen und ist bekannt für sein System des Miteinanders von Politik und Sozialpartnerschaft, das in Europa als vorbildhaft gesehen wird. Besonders lobenswert ist dabei unser System der Kollektivverträge und die Tatsache, dass niemand aufgrund seines Alters, Geschlechts, Aussehens oder seiner Herkunft diskriminiert werden darf. Doch ist unser Arbeitsmarkt wirklich so gerecht, wie er scheint?

Erwerbstätige in Österreich

Laut Eurostat lebten im Jahr 2018 insgesamt 8.822.000 Menschen in Österreich, davon waren laut Statistik Austria knapp 6 Millionen Personen erwerbsfähig (15- bis 64-Jährige; ausgenommen Präsenz- und Zivildiener). Tatsächlich erwerbstätig waren im Jahr 2018 4.54 Millionen Personen. Die Anzahl der erwerbstätigen Österreicherinnen und Österreicher entspricht daher einem Anteil von rund 76,8% der Bevölkerung. Dank dieser großen Zahl an arbeitenden Menschen, erreichte das Bruttoinlandsprodukt letztes Jahr, laut Statista, 43.640 Euro. Damit erreichte das auf die Einwohnerzahl umgerechnete BIP einen erneuten Höchststand, nachdem es schon in den Vorjahren stetig gestiegen war. Doch wie viel verdienen die Österreicherinnen und Österreicher denn eigentlich?

Das durchschnittliche Einkommen

Die untenstehende Grafik von Statistik Austria* zum Nettojahreseinkommen von 2002 (Einführung Euro) bis 2017 (dividiert durch 14 Monatsbezüge) zeigt, dass das durchschnittliche Nettoeinkommen der unselbstständigen erwerbstätigen Österreicherinnen und Österreicher in den letzten 16 Jahren um etwa 350€ gestiegen ist. Im Jahr 2002 betrug es noch rund 1120€, während es 2017 bereits knapp 1500€ betrug. Vom Jahr 2002 bis 2015 gab es immer wieder kleine Aufstiege in der Höhe von 10 bis 30€, doch von 2015 bis 2016 kann man den größten Sprung des Nettoeinkommens beobachten, in diesem Jahr hat es sich um rund 70€ erhöht. Nun stellt sich die Fragen, in welchem österreichischen Bundesland man denn am meisten verdient.

Das durchschnittliche Einkommen in den Bundesländern

Bereits auf dem ersten Blick erkennt man, dass die Österreicherinnen und Österreicher im Jahr 2017 in Wien am wenigsten verdient haben. Da betrug das Monatsnettoeinkommen der Bürgerinnen und Bürger rund 1400€, während es im gleichen Jahr in Niederösterreich um 223€ höher war. Doch woran liegt das? Wie kann es sein, dass man in der Hauptstadt Österreichs weniger verdient, als im Bundesland, das Wien umringt? Nach Niederösterreich liegt das Burgenland mit einem Monatsnettoeinkommen von 1613€ an zweiter Stelle, gefolgt von Oberösterreich mit durchschnittlich 1590€.

Wenn man sich die Grafik unten nun etwas genauer ansieht, dann sieht man das Monatsnettoeinkommen der Bundesländer auf der x-Achse und die durchschnittliche Miete der Wohnungen beziehungsweise Häuser auf der y-Achse. Es wird deutlich, dass die Miete in Vorarlberg, im Gegensatz zu den anderen Bundesländern, am höchsten ist. Dort zahlt man durchschnittlich etwa 600€ Miete, während man in Kärnten mit 411€ am wenigsten zahlt. Zu den Höchstzahlern gehören ebenfalls Salzburg, Tirol und Wien, obwohl man in diesen Bundesländern am wenigsten verdient.

Vergleicht man das Einkommen und die Miete der jeweiligen Bundesländern miteinander, fällt auf, dass man “am Land”, wie Österreicherinnen und Österreicher so gern sagen, mehr verdient als in der Stadt (Wien).

Was bedeuten diese Zahlen denn nun genau? Untenstehend wird die Miete in Prozent des Nettoeinkommens dargestellt. Damit kann gesagt werden, dass das “Leben” im Burgenland oder Kärnten am günstigsten ist, da man in diesen Bundesländern nur etwa ein Drittel seines Einkommens für die Miete ausgibt und somit rund 70% für den Rest des Monats übrig hat. Währenddessen ist das “Leben” im Westen am teuersten. Spitzenreiter ist Tirol, wo knapp 40% des Einkommens für die Miete aufgebracht werden müssen, gefolgt von Salzburg und Vorarlberg. Auch in Wien sind die Mieten im Vergleich zum Einkommen hoch, denn die Wienerinnen und Wiener geben jeden Monat knapp 37% ihres monatlichen Gehaltes für die Miete her.

Der Gender-Pay-Gap in Österreich

In der Arbeitswelt spielt auch der Gender-Pay-Gap eine große Rolle. Er beschreibt den Unterschied zwischen dem durchschnittlichen Brutto-Gehalt von Frauen und Männern, wobei er immer als prozentualer Anteil des durchschnittlichen Bruttoeinkommens von Männern angegeben wird. Wenn man sich jetzt zum Beispiel die untenstehende Grafik ansieht, so sieht man links den Gender-Pay-Gap von Frauen und Männern, die sowohl Voll- als auch Teilzeit arbeiten. Am höchsten ist er in Vorarlberg, da bekommen die Frauen durchschnittlich etwa die Hälfte des Gehaltes der Männer. Knapp gefolgt von Tirol und Oberösterreich, wo Arbeiterinnen etwa 56% des durchschnittlichen Bruttoeinkommens der Männer erhalten.

Unserer Meinung nach ist es nicht ganz fair alle Voll- und Teilzeit-Arbeiterinnen und -Arbeiter miteinander zu vergleichen, da in Österreich deutlich mehr Frauen als Männer Teilzeit arbeiten (siehe nächste Grafik). Daher haben wir uns auch den Gender-Pay-Gap von Frauen und Männern angesehen, die ganzjährig Vollzeit arbeiten, da erkennt man, dass er eigentlich deutlich geringer ist. Somit ist der Gender-Pay-Gap der ganzjährig Vollzeit Tätigen in Vorarlberg deutlich geringer, denn die Frauen erhalten etwa 3/4 des Bruttoeinkommens der Männer. In allen anderen Bundesländern bewegt sich dieser Wert etwa zwischen 80 und 85%, wobei er in Wien am größten ist. Da erhalten Frauen etwa 94% des Bruttoeinkommens der Männer. Auch hier sieht man , dass Wien sich, im Gegensatz zum Rest von Österreich, deutlich abgrenzt. Hier ist der Gender-Pay-Gap geringer als am Land.

Teilzeiterwerbstätige in Österreich

Wenn man Voll- und Teilzeit arbeitende Männer und Frauen mit einander vergleicht, erkennt man sofort, dass hier der Gender-Pay-Gap deutlich größer ist als bei den ganzjährig Vollzeit Arbeiterinnen und Arbeitern. Der Grund dafür ist, dass durchschnittlich etwa fünf Mal so viele Frauen Teilzeit arbeiten wie Männer. In den letzten zehn Jahren ist die Anzahl der Teilzeiterwerbstätigen zwar gestiegen, aber das Verhältnis zwischen Männern und Frauen ist gleich geblieben. Von 2008 bis 2018 hat sich die Zahl der Teilzeit arbeitenden Männer um etwa 80.000 erhöht, während es bei den Frauen etwa um 200.000 gestiegen ist. Ein Grund, warum heutzutage deutlich mehr Österreicherinnen Teilzeit arbeiten, ist bestimmt der Nachwuchs. Es ist allseits bekannt, dass nach der Geburt meist die Frauen ihre Stunden reduzieren um sich besser um das Kind oder die Kinder kümmern zu können. Meist sind es auch die Väter, die besser verdienen (Stichwort: Gender-Pay-Gap) und deshalb entscheiden weiterhin Vollzeit zu arbeiten, während die Partnerin nur noch die Hälfte der Zeit arbeitet.

Gender-Pay-Gap bei den gleichen Berufen

Nun wurde bereits festgestellt, dass etwa fünf Mal so viele Frauen in Österreich Teilzeit arbeiten wie Männer. Wenn man aber das Bruttogehalt der Vollzeit tätigen Frauen mit dem der Vollzeit tätigen Männer vergleicht, so sieht man, dass sie trotzdem etwas weniger verdienen als ihre Kollegen. Doch wie sieht es bei den Frauen aus, die den gleichen Beruf, wie die Männer ausüben?

Um die Unterschiede zwischen dem Brutto-Jahresgehalt der Frauen und Männer in den gleichen Berufen zu zeigen, wurden folgende Berufe ausgewählt: Sekundarschullehrer, Wirtschafts-/Steuerberater, Führungskräfte, Anwälte, Geschäftsführer und Ärzte mit Praxis. Die Grafik zeigt, dass Sekundarschullehrer jährlich etwa 20.000€ mehr bekommen als ihre Kolleginnen, obwohl sie die gleiche Tätigkeit ausüben. Bei der Wirtschaft- und Steuerberatung erhalten die Männer durchschnittlich ein doppelt so großes Brutto-Jahresgehalt wie die Frauen. Ganz ersichtlich wird der Unterschied bei den Ärzten mit Praxis, sie verdienen, im Gegensatz zu den Ärztinnen mit Praxis, fast 80.000€ mehr im Jahr. Und das, obwohl sie täglich das gleiche machen, wie ihre Kolleginnen. Wieso ist das so?

Fazit

Anhand der vorgestellten Zahlen und Grafiken lässt sich sagen, dass der österreichische Arbeitsmarkt in vielerlei Hinsicht nicht gerecht ist. Wenn man beispielsweise in Tirol arbeitet und wohnt, dann gibt man prozentual gesehen mehr für seine Miete aus, als in Kärnten oder im Burgenland. Es ist unfair, wenn Bürgerinnen und Bürger in gewissen Bundesländern finanziell gesehen ein “leichteres” Leben haben, als in anderen.

Außerdem wird die Höhe des Gehaltes nach wie vor vom Geschlecht der Person abhängig gemacht. Die Zahlen zeigen deutlich, dass man als Frau in Österreich weniger verdient als Mann, und zwar in jedem Beruf. Noch dazu verdienen Frauen außerhalb von Wien deutlich schlechter, obwohl die Wienerinnen und Wiener insgesamt in Österreich am wenigsten verdienen. Da muss man sich als Frau schon zwei Mal überlegen in welchem Bundesland man denn nun arbeiten möchte.

 

* Um darauf zu achten, dass die Zahlen über das durchschnittliche Nettoeinkommen in ganz Österreich und in den jeweiligen Bundesländern korrekt sind, haben wir den Durchschnitt für die Bundesländer selber ausgerechnet und entdeckt, dass diese Zahlen nicht ident sind. Daher haben wir Statista und anschließend Statistik Austria kontaktiert und die Information erhalten, dass beim durchschnittlichen Nettoeinkommen der Österreicherinnen und Österreicher auch jene in die Statistik eingeflossen sind, die zu dem Zeitpunkt im Ausland gearbeitet haben. Bei der Grafik über das Nettoeinkommen in den österreichischen Bundesländern wurden die Bürgerinnen und Bürger im Ausland nicht dazu gezählt. Somit erhält man minimal unterschiedliche Zahlen, wenn man sich das durchschnittliche Nettoeinkommen der zwei Grafiken ansieht.