Das Vielfliegerland Österreich

Es gibt seit Jahren die Diskussion, ob der Flughafen Wien eine dritte Piste benötigt. Im Frühjahr hat das Höchstgericht schließlich den Bau der Piste genehmigt. Doch ist Österreich mit rund 8,8 Mio. Einwohnern wirklich ein Vielfliegerland? Wie populär ist Fliegen in Österreich überhaupt und wohin fliegt Herr und Frau Österreicher eigentlich am liebsten? Aktuelle Daten zum Thema Flugentwicklung in Österreich geben Antworten. Von Finn Niklas Herwig

Passagierentwicklung in Österreich

Die ÖsterreicherInnen fliegen und fliegen. Österreichweit hat sich die Gesamtpassagierzahl aller großen Flughäfen – das sind die Flughäfen in Wien, Graz, Linz, Innsbruck, Salzburg und Klagenfurt – mehr als verdoppelt. Eine deutliche Entwicklung der Passagiere ist derzeit hauptsächlich beim Flughafen Wien und Graz erkennbar. Es zeigt sich außerdem, dass alle Flughäfen große Ereignisse gleichermaßen beeinflusst: So ist der Zeitachse die Weltwirtschaftskrise 2008/09 deutlich zu entnehmen, die einen Einbruch an Passagieren für alle Flughäfen und Airlines zu Folge hatte.

Natürlich macht der Wiener Flughafen den Hauptteil aller Passagiere aus. Während die Flughäfen in den Landeshauptstädten vor allen Geschäftsflieger und Charterpassagiere von und in die Skigebiete fliegen, gilt der Wiener Flughafen als Drehscheibe nach Osteuropa und als wichtiger Knotenpunkt zu den anderen großen europäischen Flughäfen. Während in Wien täglich rund 660 Flugzeuge starten/landen, sind es am kleinsten österreichischen Flughafen (Klagenfurt) nur rund 10 Flugzeuge.

Wien im internationalen Vergleich

Auch im internationalen Vergleich steht der Flughafen Wien gut da. In der DACH-Region nähert sich der Wiener Flughafen immer mehr dem Zürcher Flughafen an, obwohl dieser drei Pisten zur Verfügung hat und derzeit rund 100 Flüge pro Tag mehr abfertigt. Grundlegend zeigt die Grafik aber, dass es einen internationalen Aufwärtstrend beim Fliegen gibt und Fliegen so populär wie nie ist.

Warum fliegen die Leute überhaupt?

Die einen fliegen in den Urlaub, für die anderen ist es notwendiges Übel, um von dem einen Meeting zum Nächsten zu kommen. Fliegen hat unterschiedliche Gründe, bei denen Frau und Mann auch nicht zu unterschiedlich sind. Das Flugzeug konkurriert – gerade hinsichtlich der aktuellen Klimakrise – immer mit der Bahn und mit dem Auto. Schnelligkeit und Bequemlichkeit sind daher und neben günstigen Preisen mitunter die Hauptgründe fürs Fliegen.

Einen Mythos gibt es jedoch: Das Flugzeug sei automatisch schneller als bspw. die Bahn oder das Auto. Es gäbe schließlich keinen Stau oder keine Gleisbauarbeiten, die die Reisezeit unnötig in die Länge ziehen könnten.
Es gibt jedoch genügend Städte, die nicht automatisch angeflogen werden müssen, da sie die gleiche Reisezeit mit dem Flugzeug wie die Bahn haben. So ist beispielsweise die durchschnittliche Reisezeit zwischen Wien und München sowohl per Bahn als auch mit dem Flugzeug rund 4 Stunden lang. Die eigentliche Flugzeit nach München beträgt zwar nur rund eine Stunde, jedoch kommt durch Sicherheitskontrollen, Check-In und eventuelles Warten auf den Koffer noch einiges an Zeit dazu.

Low-Cost oder Luxusairline? Airlines am Flughafen Wien

Der Flughafen Wien ist seit Beginn „Heimathafen“ für die österreichische Nationalairline Austrian Airlines, die seit einigen Jahren gänzlich zur deutschen Lufthansa-Gruppe gehört. In den letzten Jahren gab es jedoch einen Boom an Billigairlines, die mit günstigen Flugpreisen ihre Marktdominanz demonstrieren und den traditionellen Airlines den Platz und die Passagiere wegnehmen. Platz 3 und 5 der Top-Airlines am Flughafen Wien belegen so bereits die britische Billigairline Easyjet und Laudamotion. Auch die ungarische Airline Wizz Air hat im Jahr 2018 einen deutlichen Aufschwung erlebt.

Die Lufthansa-Gruppe – zu der eben neben der Lufthansa, noch Austrian Airlines, Swiss, Eurowings und Brussels Airlines gehören – dominiert den europäischen Airline-Markt und auch den Flughafen Wien mit 63% aller Flügen. Dennoch wurde erst kürzlich bekannt, dass die Lufthansa-Gruppe einen harten Sparkurs als Resultat auf die stark wachsenden Billig-Airlines fahren muss. Langfristig wird sich also zeigen, ob die Lufthansa-Gruppe und allem Voran die Austrian Airlines ihre Position verteidigen kann.

Wohin fliegen die ÖsterreicherInnen eigentlich?

Es zeigt sich, dass die ÖsterreicherInnen vor allem in die direkten Nachbarländer oder zu den klassischen Urlaubszielen wie Griechenland und die Türkei fliegen. In den letzten 10 Jahren haben sich die TOP 10 Reiseziele nicht stark verändert: Deutschland steht mit großem Abstand an erster Stelle.

Weltweit gesehen werden von Wien aus rund 75 Reiseziele angeflogen (2000 waren es noch rund 66 Reiseziele), wobei in der Statistik vereinzelte Zielländer zu Clustern zusammengeführt werden. So werden zentralafrikanische Länder oder auch mittelamerikanische Inseln zusammengefasst, daher können diese Reiseziele in der Grafik nicht dargestellt werden. Es ist auch ein Trend in der Erschließung neuer Reiseziele, um möglichst viele und neue KundInnen anzusprechen, erkennbar. Klar erkennbar ist, dass vor allem Europa, aber auch Nordamerika und Asien direkte Zielländer von Wien aus sind. Südamerika und die afrikanischen Länder, ebenso wie Ozeanien und Süd-Ost-Asien werden bislang nur über die großen europäischen HUBs (Frankfurt, London, Paris) oder über andere Zwischenstopps angeflogen.

Fliegen: Der Klimakrise entgegen

Wie bereits vorher erwähnt lässt sich das Argument „Fliegen ist ja schneller als die Bahn“ schnell entkräften, da die realistische Reisezeit – je nach Zieldestination – nahezu identisch ist. Gerade in Zeiten der „Fridays for Future Bewegung“ sollte das Fliegen überdacht werden, vor allem da die Emissionszahlen zeigen, dass Fliegen im Vergleich zur Bahn deutlich umweltschädigender ist.

Beim Ausstoß von CO2-Emissionen wird häufig zwischen direkten und indirekten Emissionen unterschieden. Direkte Emissionen fallen durch die konkrete Nutzung des Verkehrsmittels an. Beim Flugzeug sind direkte Emissionen beispielsweise der Treibstoffverbrauch. Indirekte Emissionen entstehen durch die gesamte Wertschöpfungskette, also Airport-Handling, Passagiere, etc. Daher zeigt sich, dass beim Fliegen deutlich höhere CO2-Emissionen pro Personenkilometer anfallen als bei der Bahn; nur das Auto ist noch umweltschädigender.

Auch die gesamten, durch den Flugverkehr hervorgerufen, CO2-Emissionen in Österreich steigen in den letzten Jahrzehnten deutlich an. Es gibt derzeit zwei unterschiedliche Berechnungsmethoden für die CO2-Emissionen beim Flugverkehr: einerseits die des Umweltbundesamt, die die Berechnung basierend auf dem Emissionshandel anstellt, andererseits die des VCÖ (Verkehrsclub Österreich), der die Emissionen basierend auf dem Treibstoffverbrauch pro Flug berechnet. Eine 100% realistische Abbildung des Verbrauchs ist generell leider nicht möglich, da beide Varianten entweder nicht alle Emissionen ausweisen oder nur hochgerechnet werden. “Eine Tendenz nach oben bei den CO2-Emissionen des Flugverkehrs in Österreich innerhalb der letzten acht Jahre, zeichnet sich aber in beiden Berechnungen ab”, so der VCÖ auf Anfrage. Fliegen wird über die nächsten Jahre – gerade hinsichtlich der Einführung von CO2-Steuern – vermutlich teurer werden. Es macht daher Sinn, jeden anstehenden Flug zu überdenken und die tatsächliche Reisezeit zu bedenken und so vielleicht auf die Bahn auszuweichen.

Fazit

Es lässt sich festhalten, dass der Flugverkehr in Österreich stetig steigt. Die steigenden Passagierzahlen sind ein Beleg dafür, dass sich der Flughafen Wien an diese Steigerung anpassen muss und mit der dritten Piste bereits eine mögliche Option gefunden hat. In der Flug-Branche findet zusätzlich derzeit eine Trendwende hinsichtlich Flugzeugtypen statt. Während es in den letzten 10 Jahren beliebt war, möglichst große Flugzeuge wie den Airbus A380 mit einer Kapazität mit bis zu 550 Passagieren einzusetzen, haben die Airlines gemerkt, dass diese Flugzeuge zu kostenintensiv sind und beziehen zukünftig wieder kleinere Flugzeuge, die nicht so viele Passagiere aufnehmen können. Für den Flughafen Wien bedeutet das, dass es für die internationalen Flugziele vereinzelt mehr Flüge geben wird, da eine Route häufiger – aber dafür mit kostensparender Flugzeugtypen – bedient wird.

So wird, basierend auf den stark steigenden Passagier- und auch Flugzahlen sowie durch den generellen Ausbau des Flughafens Wien eine dritte Piste langfristig gesehen notwendig werden. Wenn der Flug-Trend also so weitergeht, müssen sich der Flughafen Wien und die einzelnen Airlines, gerade hinsichtlich der Klimakrise, verändern. Ob also eine dritte Piste oder eine Adaptierung der Reiseziele oder wieder der Einsatz größerer Flugzeugtypen dafür passende, umweltfreundliche Lösungen sind, wird sich zeigen.