Erneut muss eines der kleinen Kinos in Österreich schließen: Nach 107 Jahren war für das Bellaria-Kino in Wien am 17. Dezember endgültig Schluss. Der Betrieb hat sich wirtschaftlich nicht mehr gerechnet. Schuld daran sind aber nicht nur Netflix und Co.
Eines der ältesten Kinos in Wien hat am 17. Dezember 2019 zum letzten Mal aufgesperrt. Nach einem über 107-jährigen Bestehen zieht damit der Betreiber eines weiteren kleinen Kinos in Österreich die Reißleine. Früher, so sagt Erich Hemmelmayer dem Kurier, als man um 16 Uhr, um 18 Uhr und um 20 Uhr Filme gezeigt hat, sei der Saal bereits um 16 Uhr voll gewesen. Heute hätte man Glück, wenn um 16 Uhr überhaupt noch ein paar Besucher kommen würden. Der Betrieb des Kinos würde sich wirtschaftlich einfach nicht mehr ausgehen.
Dabei lässt sich hinsichtlich der Kinobesuche in Österreich noch längst nicht von einer Krise sprechen. Ungefähr 15 Millionen Menschen haben im Jahr 2017 die heimischen Kinos besucht. Diese Zahl hat sich in den letzten zehn Jahren kaum bis gar nicht verschlechtert. Einzig in den frühen 2000er Jahren ging es den Kinos hierzulande etwas besser: über 19 Millionen Besucher verzeichneten die Kinos in einem Rekordjahr 2002. Das ist bemerkenswert, vor allem da sich ad hoc noch keine wesentlichen Auswirkungen von Streaming-Diensten auf dem heimischen Kinomarkt beobachten lassen. Netflix ist im Jahr 2014 in Österreich gestartet.
Die alten Kinos kennen härtere Zeiten
Kinos wie das Bellaria, mit ihrer über 100-jährigen Geschichte, haben da bereits härtere Zeiten überlebt. Denn gerade die 1970er Jahre mit der zunehmenden Verbreitung des Fernsehens hatten massive Auswirkungen auf den österreichischen Kinomarkt. Während 1962 die Anzahl der Kinobesuche noch bei ungefähr 90 Millionen lag, sank diese Zahl bis 1975 auf fast 20 Millionen Besuche herab. Etwa 700 österreichische Kinos mussten in diesem Zeitraum schließen. Man spricht vom sogenannten “Kinosterben”.
Doch die Talfahrt für die heimischen Kinos war damit noch nicht beendet. Neben dem Siegeszug des Fernsehens eröffneten 1979 in Braunau und 1980 in Wien die ersten Kinocenter. Der heimische Kinomarkt verlagerte sich mehr und mehr in die Vorstädte und an den Stadtrand. Bis 1986 sank damit die Zahl der Kinos in ganz Österreich auf nur mehr 536. Im Jahr 1990 erreichte die Anzahl der Kinobesuche schließlich ihren Tiefpunkt: Nur mehr 10 Millionen Menschen gingen in dem Jahr in ein Kino.
In den Folgejahren ist dann etwas Interessantes passiert: Während die Kinosäle in den 1970er Jahren noch relativ groß waren und im Durchschnitt über 300 Personen darin einen Platz fanden, wurden diese in den 1990er Jahren – insbesondere in den großen Kinocentern – immer öfter auf mehrere kleine Säle aufgeteilt. Mit dieser Strategie konnte man der geringen Saal-Auslastung in dieser Zeit entgegentreten. Und zeitgleich das Angebot an Filmen vielfältiger machen.
Die Großen verdrängen die Kleinen
Zumindest für die großen Kinocenter ging diese Strategie des vielfältigen Angebots auf. Der Kinomarkt und auch die Besuchszahlen stiegen bis in die 2000er Jahre wieder an – zumindest im Durchschnitt. Doch für die kleinen Kinos, darunter die Alternativkinos der 1970er Jahre, die das Kinosterben überstanden hatten, blieben die Zeiten hart. Während die großen Kinocenter sich wirtschaftlich erholten, starben vor allem Ein-Saal-Kinos weiter aus.
Bis heute nimmt deshalb die Anzahl der Kinos in Österreich weiter ab. Nur mehr 139 Kinos zählt die Statistik Austria im Jahr 2017. Übrig bleiben eher die Großen: das sieht man auch daran, dass ein Kino in Österreich im Jahr 1997 durchschnittlich weniger als zwei Säle bespielt. Im Jahr 2017 hat ein durchschnittliches österreichisches Kino bereits vier Säle. Der Trend setzt sich fort – aber nicht in allen Bundesländern gleich.
Unterschiede in den Bundesländern
Das Kinosterben bis in die 1990er Jahre hat alle österreichischen Bundesländer hart getroffen. Doch im Burgenland und in Kärnten hat man sich nicht mehr davon erholt. Die Anzahl der Kinos stagniert bis heute auf einem niedrigen Niveau. Besser erging es Niederösterreich, Oberösterreich und der Steiermark – hier hat man es in den frühen 2000er Jahren geschafft, das Kino ein Stück weit wieder zurückzubringen. Die meisten Kinos, insgesamt 27, konnte sich allerdings Wien bewahren. Auch wenn der Verlust des Bellaria ein weiterer herber Rückschlag war.
Titelbild: © Rald Waldhart